verband bildender künstler thüringen
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Herbert SAX Baerlocher


Malerei

Via Grevas 11
CH-75  Sils-Maria


Mobil 0151.26780624
atelier@s-a-x.com
www.s-a-x.com

Herbert SAX Baerlocher


Einzelausstellungen


Roku-O-In Zen Tempel Kyoto 1978, 1979
Institut Franco-Japonais du Kansai Kyoto 1984
Galerie Blanche Osaka 1989
Galerie Avenue Kobe 1989, 1990
Galerie Haku Osaka 1990
Goethe Institut Kyoto 1990
OAG-Kunstforum Tokyo 1990
Tokyo American Club Tokyo 1991, 1996
Galerie Mitsukoshi Gion Kyoto 1991
Big Island Art Guild Hawaii 1991
Awanosato Art Forum Tokushima 1992
Kayabuki Ongakudo Kyoto 1993
Okanoyama Museum Hyogo 1993
Galerie Kisshodo Kyoto 1994, 1995, 1997
Osaka Century Club Osaka 1995
Ikebana International Kyoto 1995
Galerie You-Gen Tokyo 1995
Galerie Oranger Fujisawa 1995
Arte Ceia Poschiavo 1998
OAG-Kulturzentrum Kobe 2000
Japan Art Forum Kyoto 2000
Kunstraum Riss Samedan 2000, 2005, 2010
Altstadthalle Zug 2003
Galerie Dosch Zürich 2004
Spazio Arte Cenacolo Chiavenna 2005
Galerie Toki Saitama 2005
Grotta da Cultura Sent 2007
Galerie Fex Sils permanent 2006 – 2018
Atelierausstellung Weimar 2015
Burg Waischenfeld Raum 3 2016 (Gruppe)
Kunst im Treppenturm Bamberg 2017
Wittauerhaus Hollfeld 2017, 2018
Galerie Profil Weimar 2017
Landratsamt Bayreuth 2018
Giechburg Bamberg 5F 2018 (Gruppe)

(Zahlreiche Teilnahmen in Gruppenausstellungen in Japan, USA, Schweiz, Italien, Deutschland und China)

CURRICULUM


SAX, bürgerlich Herbert Baerlocher,
geboren am 15.08.1943, wächst in Basel auf. Nach Universitätstudien der Kunst-geschichte und moderner Lyrik in Bern und Florenz erprobt er Körperausdruck mit Theater- und Musikgruppen.
1971/72 entstehen in Berlin erste Zeichnungen als Selbstausdruck von ‚animus und anima‘ - und ab 1973 in Kyôto, Japan, autodidaktische Gouachebilder erst figürlicher dann auch abstrakter Thematik hin zu komplexen Mandala-Konfigurationen: diese Bildvorstellungen werden in elaborierter Manier zeichnerisch oder in Farbe präzise ausgeführt.

1976 beginnt er mit Hiromoto Susumu Sensei (1897-1991) sein mehrjähriges Erlernen der fernöstlichen Tusche-pinseltechniken, genannt ‚un-pitsu‘: dazu erfährt er durch die Pinselwerke der Künstler Sesshu (1420–1506) und Hakuin (1686–1769) inspirierende Impulse, und in den Gedichten des Eremiten Ryôkan (1758-1831) em-pfindet er eine tief wirkende menschliche Sympathie. 1978 und 79 finden in Kyôto im Zen-Tempel Roku-Ô-In seine ersten Ausstellungen dieser ‚anima-e‘ genannten spontanen Pinselwerke als ‚kakejiku‘-Rollbilder statt.

Von 1980 bis 1988 entwickelt er seine malerischen Ausdruckmittel hin zur ungegenständlichen Improvisation in Ölfarbe, indem er stufenweise wesentliche Impulse von der Pinseltechnik der Ölmalerei Paul Cézannes, der kompositorischen Abstraktion von Wassily Kandinsky basierend auf dessen theoretischer Schrift ‚Das Geistige in der Kunst‘, sowie die innerlichen Wegweisungen aufgrund des Lehrwerkes ‚Hortus Conclusus‘ ebenso wie der geistlichen Bilder des Malers Bô Yin Râ integriert, deren kontinuierliche Weiterbildung sein Schaffen über die Jahrzehnte befruchtet.

Sagt der Künstler: „Es ist natürlich nicht unbedeutend für meine künstlerische Entfaltung gewesen, dass ich meine jahrelangen Pinselübungen in einem Bambushain in Kyoto gemacht habe, wo ich ferne jeder ‚Zeitströmung‘ aber innerlich dem Empfinden meiner seelischen Kräfte verbunden mich zwar als Mensch des 20. Jahr-hunderts betätigt, aber aus dem Erleben viel weiterer Zeiten und Räume künstlerisch habe gestalten lernen können.“

„Die mit reinen Pigmenten verschieden gebundenen, ähnlich der Tempera- technik aufgesetzten Farben leuchten strahlend. Klar abgegrenzte geo-metrische Formen herrschen vor, weiss und blau, von gelb und schwarz ergänzt, zeugen von Landschaftserlebnissen im Fex. Diese Kompositionen halten die die Balance zwischen vager Unbestimmtheit und präziser Defi-nition, Aussen- und Innenwelt gehen fugenlos ineinander über.”
(Marie-Claire Jur, „Engadiner Post“)

Von 1997 an malt SAX im Fextal bei Sils-Maria (Engadin) kontinuierlich Öltemperabilder auf Leinwand sowie Tuschmalerei auf Papier. Nach zahlreichen Ausstellungen in Japan, auf Hawaii und in Europa präsentiert ‚galerie fex‘ ab 2006 permanent wechselnde Werke des Künstlers.

Seit 2013 ist SAX in Weimar tätig und ab 2015 in Obernsees.

Weimar, Galerie „Profil“


Ausstellungseröffnung


Einführungsrede zur Ausstellungseröffnung mit Gemälden von Herbert SAX Baerlocher
Weimar, Galerie „Profil“, Samstag, den 12.08.2017, 18:00 Uhr



Sehr geehrte Frau Gatz-Hengst,
lieber SAX,
meine sehr geehrten Damen und Herren,


zunächst möchte ich mich ganz herzlich für die Einladung bedanken, zur heutigen Ausstel-lungseröffnung mit Werken von Herbert SAX Baerlocher die einführenden Worte sprechen zu dürfen, und für die freundliche Aufnahme, die mir hier in Weimar zuteil geworden ist.
„Weimar“ ist natürlich ein Stichwort – denn SAX, wie sich der Künstler kurz nennt, lebt und ar-beitet heute zwar in Obernsees bei Bayreuth, doch hat er ehedem zwei Jahre in Weimar ver-bracht und sich hier, im Dunstkreis des Bauhauses, stets sehr wohl gefühlt.
Alles in allem liest sich seine Biographie recht eindrucksvoll: In Luzern geboren und in Basel aufgewachsen, studierte er, bereits von Kindheit an mit bildender Kunst und Musik infiltriert, nach seinem Abitur Kunstgeschichte und Literatur an den Universitäten von Bern und Flo-renz. Anschließend zog er als Sänger mit der Psychedelic-Band „Guru Guru“ durch die Lande und ließ er sich anfangs der 70er Jahre in West-Berlin nieder, wo er begann, bildschöpferisch tätig zu werden. Es entstanden spontane Zeichnungen, mit denen SAX einen inneren Zu-gang zu sich selbst zu erschließen suchte. Dabei entdeckte er für sich die Philosophie des Fernen Ostens. Sein Interesse an diesen Weisheitslehren ging so weit, daß er beschloß, nach Ky?to zu ziehen, um an Originalschauplätzen den Buddhismus und die japanische Tuschma-lerei zu studieren. Ganze 24 Jahre sollte SAX in Japan bleiben, wo er bei Susumu Hiromoto in die Schule ging und sich von diesem in die Zen-Malerei einführen ließ. Zurück in der Schweiz, richtete er sich 1997 zunächst im Engadiner Fex-Tal ein Atelier ein, ehe er 2013 nach Weimar zog, um sich von dort aus – ja, fast müsste man sagen „der Liebe wegen“ – schließlich in der Nähe von Bayreuth niederzulassen, wo er seit mittlerweile 2 Jahren lebt und arbeitet.

Dreh- und Angelpunkt für das künstlerische Schaffen von SAX ist auch nach seiner Rück-kehr nach Europa die Zen-Malerei. Dabei handelt es sich um eine ursprünglich im 12. Jh. in China und in Japan entwickelte monochrome Tuschmalerei, deren wichtigste Stilmerkmale eine motivische wie gestalterische Schlichtheit, pinselrhythmische Spontaneität, kompositi-onsästhetische Asymmetrie und das bewusste Offenlassen unbehandelt gebliebener Leerflä-chen sind. Das Weiß des Papieres trägt entscheidend zur Konzentration sowohl des Künstlers als auch des Betrachters auf die sparsam zu Papier gebrachten Motive bei. Die Themen der Zen-Malerei waren zunächst gegenständlich gebunden und zeigten auf einfachste Formen zurückgeführte Landschaften, Tier- oder Menschendarstellungen. Unter dem Einfluß des Tao-ismus gelangte sie als Ausdruck innerer Bescheidenheit allmählich zur Abstraktion. Dabei be-stimmten Dreiecke, Kreisformen und Rechtecke zunehmend die gestalterischen Mittel, die sich als kosmische Urformen zu autonomen Bildmotiven verselbständigten. Noch heute ver-stehen sich die Meister des Zen nicht als „Künstler“, sondern als buddhistische Priester und Lehrer.
Arbeitsmethodisch haben wir uns das Entstehen eines Zen-Bildes ungefähr so vorzustellen, daß der Maler sich in einen abgeschiedenen Raum zurückzieht, in greifbarer Nähe nichts An-deres als einen Bambuspinsel, schwarze Tusche und einige Blätter Papier. Er beginnt, sich gedanklich von allen Diesseitsverhältnissen zu befreien und in einem Zustand vollkommener Ruhe zu seinen innersten Tiefenschichten vorzudringen. Wenn die Meditation ihren Höhe-punkt erreicht hat, greift der Maler schließlich zu Tusche und Pinsel und bringt er zu Papier, dann allerdings binnen kürzester Zeit und mit sicheren Zügen, was er zuvor kontemplativ in sich wahrgenommen hat. Man könnte die Zen-Malerei als gestalterische Transformation der energetischen Ströme des Ich bezeichnen.

So in etwa müssen wir uns auch die Arbeitsweise von SAX vorstellen, wenn er seine Tusch-bilder schafft. Diese Arbeiten werden im Zustand innerer Harmonie von Körper, Geist und Seele ausgeführt und weisen ganz ähnliche Stilmerkmale auf, wie die Kunst des Zen: einfa-che Formen, zügig auf die Bildfläche gebracht, bei asymmetrischer Komposition mit viel Weiß des Papieres, das als leer gebliebene Fläche den Blick des Betrachters ganz auf die rhyth-misch vorgetragenen Pinselbewegungen fokussiert. Die Tuschbilder von SAX sind der sicht-bare Ausdruck des seelischen Gleichgewichts des Künstlers und Meditationsobjekt für den Betrachter zugleich. Sie stellen nichts anderes dar als das, was sie sind: mit schwarzer Tusche auf weißen Grund gebrachte Rhythmen, die im Sinne einer seismographischen Entladung innerer Befindlichkeiten auf der Bildfläche ein gestalterisches Eigenleben entfalten.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Meditation heißt nicht Trance! Die Tusch-bilder von SAX sind keine automatistische Pinselzeichnungen, wie wir sie aus dem Surrea-lismus kennen; vielmehr sind sie in vollem Bewußtsein geschaffen und in einem Zustand, bei dem „Ratio“ und „Emotio“, das „apollinische“ und das „dionysische Prinzip“ sozusagen, in ei-nem ausgewogenen Verhältnis zu einander stehen. Die Einheit von Yin und Yan spielt dabei eine Rolle, der Ausgleich der Gegensätze: Schwarz und Weiß, leicht-fließend und statisch, flüssig und trocken usw. – das Alles besonnen und ohne selbstgefällige Exaltationen kompo-sitionsästhetisch in Einklang gebracht und so, daß am Ende ein in sich geschlossenes, har-monisches Ganzes entsteht.
Die meisten Tuschbilder, die Sie in der heutigen Ausstellung zu sehen bekommen, sind übri-gens hier in Weimar entstanden. Sie unterscheiden sich von den zuvor geschaffenen als auch von den nachfolgend ausgeführten Pinselzeichnungen durch eine stärkere Annähe-rung an geometrische Formen und reflektieren in diesem Sinne als Reminiszenz den Geist des Bauhauses.

Etwas anders treten demgegenüber die Ölgemälde von SAX in Erscheinung, die als halb-transparente Schichtenmalerei teils mit dem Pinsel, meist jedoch mit dem Spachtel auf Lein-wand ausgeführt wurden. Dort tritt zu den abstrakten, von gegenständlichen Bedeutungszu-sammenhängen befreiten Formen ein wesentliches Element hinzu, das auf den schwarzwei-ßen Tuschebildern nicht zu sehen ist: Die Farbe! Es sind kräftige Valeurs, die der Künstler in spannungsvollen Kontrasten auf die Malfläche setzt: ein leuchtendes Gelb, feurige Rot- und Orangetöne, strahlendes Blau. Auch Mischtöne gelangen zum Einsatz – dazwischen immer wieder weiße Elemente, nie jedoch tatsächlich Schwarz, bestenfalls ein dunkles Pariserblau oder ein fast schwarzes Chromoxidgrün.
Während die Tuschzeichnungen vornehmlich aus dem Bewegungsfluß des Pinsels heraus entstehen, in diesem Sinne also, selbst bei geometrischen Kompositionsstrukturen, einen deutlich expressiven Charakter haben, nehmen sich die Ölgemälde des Künstlers sehr viel geordneter aus. Sie leben von der Kraft der Farben und dem harmonischen Gleichgewicht der Formen.
Nicht selten zeigt sich auf den Ölgemälden von SAX eine Art energetisches Zentrum: gebildet aus einem Kreis oder einem Dreieck, aus einer Kreuzform, einem Stern, einem Ovoid oder ei-nem Rechteck, manchmal auch einem farbigen Leerfeld, wobei dieses energetische Zentrum sich in aller Regel nicht in der Mitte der Leinwand befindet, sondern meist etwas oberhalb und oft leicht seitlich verschoben auf der Bildfläche zu finden ist. Durch diese achtergewichtige Verschiebung und durch die Vermeidung von mathematischer Striktheit erhalten diese Bil-delemente etwas Schwebendes. Um diesen optischen Angelpunkt herum ordnen sich, manchmal in analoger Entsprechung, jedoch niemals wirklich symmetrisch, weitere, farblich deutlich anders gefasste Formen an, die zu dem energetischen Zentrum in einen Dialog treten – spielerisch zuweilen, manchmal fast tänzerisch und so, daß sich am Ende eine bisweilen anthropomorph erscheinende, kompositionsästhetische Einheit ergibt, bestehend aus senk-rechten und waagerechten Bildelementen, aus Rundformen und ovoid gebrochenen Kreisen, aus Dreiecken, mitunter prismatisch gegliedert, aus S-förmigen Linien, Balken und Rechtek-ken – dies alles auf gleichermaßen bunt gefasstem Grund, der überall dort, wo er zwischen den Bildelementen hervortritt, in einer anderen Farbe wiedergegeben wird.
Auf der Suche nach bildtypologischen Vorläufern kommen einem vielleicht Sonja Delaunay in den Sinn oder Paul Klee, eventuell auch Wassily Kandinsky oder Frantisek Kupka. Doch all diese Vergleiche hinken, denn im Wesentlichen hat SAX seine Malerei nicht unter dem Blick auf mögliche Vorbilder entwickelt, sondern ganz aus sich selbst heraus, und er hat dabei zu einer sehr eigenständigen individuellen Bildsprache gefunden, die sich – ähnlich wie seine Tuschbilder – im Wesentlichen aus seinen eigenen, formfarblich abgeleiteten Selbstwahr-nehmungen speist. Das macht seine Gemälde so authentisch, und das macht sie so originell.
Es ist den Leinwandbildern des Künstlers nicht unbedingt anzusehen, aber auch sie entste-hen, ähnlich wie die Tuschzeichnungen, weitestgehend spontan: ohne Vorzeichnung, ohne vorab festgelegtes Konzept, nicht in systematisch sich weiterentwickelnden Serien. „Spontan“ heißt allerdings nicht „unvorbereitet“: Den Bildwerken von SAX gehen ausführliche Reflexio-nen über seine aktuelle Lebenssituation voraus und eine erweiterte Wahrnehmung des damit in Zusammenhang stehenden inneren Erlebens. Nach solchen Bewusstseinshebungen al-lerdings – das ist das Überraschende an den Ölbildern des Künstlers – malt er seine Leinwän-de meist ohne zeitliche Unterbrechung binnen weniger Stunden nach Möglichkeit in einem einzigen Arbeitsgang. Dieser Unmittelbarkeit des Gestalterischen ist die Bewegtheit seiner Kompositionen zu danken und die vibrierende Dynamik seiner Bildanlagen.

Die Malerei von SAX ist eine Malerei „alla prima“ par excellence. Es ist eine reine, offene und unverbrauchte Ausdruckssprache, zu der er auf seinen Gemälden ebenso wie in seinen Tuschbildern gefunden hat, im Zustand kontemplativer Entspanntheit als solitäre Einzelwerke aus den Tiefen des Ich ans Licht gebracht, ohne alchemistischen Schnickschnack und ohne oberflächliche Show-Effekte. Das macht seine Bildwerke so authentisch, das macht sie so ori-ginell und das macht sie für den Betrachter als Anschauungsobjekte so spannend.
„Die wichtigste Arbeit“, fasste SAX einmal als Credo seines künstlerischen Schaffens zusam-men, „ist nicht das Malen, sondern zu leben. Darin vollzieht sich Selbst-Verwandlung: immer wieder durch sich hindurch zu schreiten (...) und wiedergeboren zu werden ins Sein. In die-sem Moment enthüllt sich auch im Bild, dem gemalten, erstmalig neue Wirklichkeit“.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Ent-deckung dieser „neuen Wirklichkeiten“ interessante Begegnungen und der Ausstellung einen guten Erfolg.



© 2017 Dr. Matthias Liebel, Bamberg



Herbert SAX Baerlocher


Präsentation als Vergegenwärtigung


In Basel aufwachsend befreundete ich mich frühzeitig mit den Künsten der Malerei, Musik, Literatur und Architektur; in der Liturgie beeindruckte mich deren zusammenwirken. Ein Büchlein in der Familienbibliothek mit den Fujiyama-Holzschnitten von Hokusai erweckte mein erstes Interesse für die Fernöstlichen Inseln, wo ich dann ab dem dreissigsten Lebensjahr für mehr als zwei Jahrzehnte leben, und mich malerisch weiterentwickeln sollte.

Vor der Malerei hatte ich, nach Kunstgeschichts- und Lyrikstudien, improvisierend Selbstausdruck geübt in Theater- und Musikexperimenten. Es war dann die Disziplin der orientalischen Pinselbewegung (un-pitsu), wo mein Drang zum spontanen Bildgestalten der tausendjährigen Tradition der Tuschemalerei sich verbinden konnte. In ungegenständlichen, zuweilen blitzschnellen, Gesten des Pinsels auf dem Papier äussert sich Gemüts- und Seelenzustand: ich sehe wie ich im Moment in mir bin. Durch meditative Klärung des Bewusstseins wird das Wesenhafte sichtbar im Akt absichtsloser Gestaltung.

Diese von den Zen Mönchen sehr geschätzte Disziplin der Tuschemalerei - berühmt als san-sui-ga Landschaften oder zen-ga Pinselapperçus - hat dann über die Jahre auch meine Ölmalerei zur spontanen, dynamischen Farbimprovisation werden lassen: das ungegenständliche Sujet des Bewusstseinszustandes wird in gleichzeitigem Arbeitsvorgang von Zeichnung, Farbkontrast und Flächenkomposition auf die Leinwand gemalt.

Malen bedeutet so Tun - Tun aus dem ganzheitlichen Empfinden des eigenen Seins: sowohl mit instinktiver Triebkraft wie intuitivem Gefühl und mentaler Vision. Die vielzitierte Triade von Körper - Seele - Geist klingt hier an - wobei Geist sicher nicht Ratio oder Intellekt bedeutet. In der Malerei, und dem sie nährenden kontemplativen wie aktiven Erleben, ist die Polarität des yin-yang (japanisch in-yô) für mich - wie die Triebfeder der Erotik im Körperlichen - auch bewusstseinsmässig dynamischer Aspekt der Erkenntnis elementarer Seinsformen: immer artikulieren sie sich im polaren Wechselspiel von still und laut, fern und nah, heiss und kalt ... Harmonie aber, und vielleicht auch Sinn, wurzelt im "wie" ihres Wechselspiels. Kontraste kreativ inszeniert regen auch in der Malerei das Leben an.

Es ist mir eine grosse Freude erneut in den Räumen des Kunstraum riss Werke der letzten Jahre vor allem aus dem Fextal zu präsentieren. Präsentation als Vergegenwärtigung: so wie die Museumssäle eigentlich Kontemplations-Hallen sind, wird es der Betrachter der Kunst sein, der das Erlebnis in sich wachruft - er vergegenwärtigt sich mittels der "Stimmgabel des Kunstwerks" den für sie oder ihn wünschenswerten Zustand in sich selbst. Verstehen oder Beurteilen ist so in der Begegnung mit dem Werk unbedeutend für das sinnlich-seelische Erleben, das im kontemplativen Dialog sich einstellt.

Mit Kunst zu leben, im Alltag auch, kann so zur ständigen Er-innerung an die speziellen Momente und Motive eigener Lebenserfahrung werden; wiederholte Re-ligio des ins äussere gerichteten Bewusstseins zurück zur Quelle eigenen Seins. Das Kunstwerk dient so - selbst aus innerem Erleben zum äusseren Mittel gestaltet - als Brücke zum Unsichtbaren.

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